Leitfaden Konfigurationsmanagement angepasst

Blogbeitrag von Stephan Blab

Mit stetig steigender Komplexität besitzen heutige Produkte zahlreiche Komponenten, die in ihren funktionalen und physischen Eigenschaften und Schnittstellen kaum mehr überschaubar sind.

In den einzelnen Entwicklungsstadien, von der Konzeption bis hin zur Entsorgung, nehmen darüber hinaus die jeweiligen Komponenten verschiedene Erscheinungsformen in wiederum unterschiedlichen Versionsständen an. Diese Zustands- und Beziehungsvielfalt erschwert nicht nur den Entwicklungs- und Herstellungsprozess, sondern verkompliziert auch entschieden die Bereitstellung passender Ersatzteile oder die Durchführung von Wartungen.

Als Lösungsansatz wurde erstmals in der Luft- und Raumfahrtindustrie gegen diese wahrgenommenen Unbeherrschbarkeit das Konfigurationsmanagement entwickelt und etabliert. Da hierbei kein bestimmter Anwendungskontext festgelegt wurde und ein positives Resümee in der initialen Industrie erfolgte, fordern inzwischen diverse weitere Qualitätsmanagementsysteme, wie beispielsweise die DIN EN ISO 13485, ein Konfigurationsmanagement ein.

Aktuelle Änderungen

Der vorab bereitgestellte Standard beabsichtigt die seit 2004 unveränderte Fassung der DIN ISO 10007:2004-12 ab Oktober 2020 zu ersetzen. Gegenüber dieser wurde der Normeninhalt technisch überarbeitet und an die aktuelle Ausgaben der ISO 9000:2015-09 und ISO 9000:2015-09 angepasst.

Warum Konfigurationsmanagement?

Derzeit ist Konfigurationsmanagement insbesondere dort relevant, wo man aus behördlicher Sicht gezwungen ist, Produktdokumentation zu betreiben. Darüber hinaus ist Konfigurationsmanagement dort wichtig, wo mit komplexen Produkten umgegangen wird und wo Kundenwünschen und Änderungsprozessen begegnet werden muss.

Betrachtet man beispielsweise die Entwicklung eines Medizinprodukts, so arbeiten unzählige Menschen an demselben Produkt von der Entwicklung, über die Zulassung, der Produktion, bis hin zur Wartung. Jeder Mitarbeiter ist für einen kleinen Anteil am Gesamtprodukt verantwortlich. Am Ende muss sichergestellt werden, dass alle Anteile zueinander passen, also in einer guten Konfiguration zueinander stehen.

Eben für diese Medizinprodukte gilt die DIN EN ISO 13485:2016-08 "Medizinprodukte – Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen für regulatorische Zwecke", welche im Kapitel 4.2.3 ein Konfigurationsmanagement wie folgt fordert:

"Die Organisation muss eine oder mehrere Akten erstellen und aufrechterhalten, die für jeden Medizinprodukttyp oder jede Medizinproduktgruppe entweder Dokumente enthält oder auf solche verweist, die die Konformität mit den Anforderungen nach dieser Internationalen Norm und Übereinstimmung mit den anwendbaren regulatorischen Anforderungen nachweisen."

Im Weiteren ist der Inhalt der Akte festgelegt, welcher Produktspezifikationen (Ziffer b),  die Anforderungen für die Installation (Ziffer e) und die Verfahren für die Instandhaltung (Ziffer f) umfasst.

Hierbei ist ein Vorgehen nach den Standard DIN ISO 10007:2020-10 nicht erforderlich, bietet sich dennoch an.

Anlog gilt dies ebenfalls für die Automobilindustrie, welche für Serien- und Ersatzteilproduktion gemäß IATF 16949:2016-10 als Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme in Kapitel 4.2.3.1 Folgendes fordert:

"Die Organisation muss das Datum aufzeichnen, an dem jedwede Änderung in der Produktion verwirklicht wird. Zur Verwirklichung muss die Aktualisierung der Dokumente gehören."

Stringent hingegen erscheint die Anforderung hinsichtlich eines Konfigurationsmanagements inzwischen gemäß DIN EN 9100:2018-08 "Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen an Organisationen der Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigung" formuliert zu sein, welche in Kapitel 4.3 folgende Anforderung stellt:

"Die Organisation muss einen dem Produkt angemessenen Konfigurationsmanagementprozess einführen, dokumentieren und aufrechterhalten."

Weiterhin verweist die Anmerkung im Standard drauf, dass

"...ein Leitfaden zum Konfigurationsmanagement [...] sich in ISO 10007 [findet]."

Vorteile eines etablierten Konfigurationsmanagements

Abgesehen von der formalen Forderung bietet das Konfigurationsmanagement folgendes Potential für die Organisation:

  • Anforderungen an das Produkt werden besser verstanden
  • Übereinstimmung zwischen realen Produkt und Dokumentation steigert die Produktqualität und mindert Korrekturaufwände
  • Ergebnisse der Entwicklung bzw. Herstellung sind prägnant und vollständig dokumentiert
  • Konformität mit den gültigen Anforderungen ist jederzeit leicht prüfbar

Was bedeutet Konfigurationsmanagement?

Trotz der normativ vorgegebenen Präsenz wird der Begriff oft falsch verstanden und somit auch die daraus resultierenden Anforderungen nur unzureichend umgesetzt.

Als allgemeingültige Definition ist jene der ANSI (American National Standards Institute) anerkannt, welche

"Konfigurationsmanagement  als ein Managementprozess zur Herstellung und Erhaltung des Produkts …  mit den Anforderungen, dem Produktdesign und den operativen Informationen während des gesamten Produktlebenszyklus"

definiert.

Im Sinne des Standards DIN ISO 10007:2020-10 ist es die "Managementtätigkeit, die die technische und administrative Leitung des gesamten Produktlebenszyklus … und der produktkonfigurationsbezogenen Angaben übernimmt". So sorgt Konfigurationsmanagement für die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit

Was ist Konfigurationsmanagement?

Konfigurationsmanagement sorgt für eine Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit der Produkte inklusive deren Funktionen, räumlichen Dimensionen und Schnittstellen während des gesamten Produktlebenszyklus.

So trägt es dafür Sorge, dass jederzeit die Anforderungen, die an Produkte gestellt werden, erfüllt und jede Änderung genehmigt und dokumentiert wird.

Das Konfigurationsmanagement läuft gemäß DIN ISO 10007:2020-10 in einem festgelegten Prozess ab. Dieser besteht aus vier Teilprozessen:

1. Konfigurationsidentifikation - KI
Umfasst die Auswahl von Konfigurationseinheiten, deren Gliederung zu einer Produktstruktur, Dokumentation sowie Nummernbildung zum Zweck der eindeutigen Identifizierung.

2. Konfigurationsüberwachung - KÜ
Änderungsmanagement mit dem Ziel, alle Änderungen an Konfigurationseinheiten sowie deren zugeordneten Dokumenten zu identifizieren, beschreiben, klassifizieren, bewerten, genehmigen und einzuführen.

3. Konfigurationsbuchführung - KB
Ziel der rückverfolgbaren Konfigurationen und Konfigurationseinheiten.

4. Konfigurationsaudit - KA
Bewertung der Prozesswirksamkeit mit dem Ziel, funktionellen und physischen Merkmalen sowie deren Übereinstimmung am Produkt bzw. dessen Dokumentation.

Die Internationale Norm (ISO 10007:2017) wurde vom Technischen Komitee ISO/TC 176 "Quality management and quality assurance" Unterkomitee SC 2 "Quality management Systems" erarbeitet. Die deutsche Fassung ist vom zuständigen nationalen Arbeitsausschuss  NA 147-00-01 AA "Qualitätsmanagement" im DIN-Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ) erarbeitet worden.

Mehr vom Arbeitsausschuss NA 147-00-02 AA "Angewandte Statistik"

Für die Mitgestaltung des Standards zuständige Ansprechpartnerin ist Kristofer Poll:

Saatwinkler Damm 42/43
13627 Berlin

Tel.: +49 30 2601-2187

Fax: +49 30 2601-4 2187

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